Politik

23. Oktober 2024

Drei Fragen an Sebastian Lange zum zehnjährigen Jubiläum des REWE Group-Hauptstadtbüros

2014 wurde Deutschland nicht nur Fußball-Weltmeister und Jean-Claude Juncker Präsident der Europäischen Kommission, die REWE Group eröffnete auch ihr Büro in der Hauptstadt. Zum Zehnjährigen wagt Sebastian Lange, Leiter des Büros in der Friedrichstraße, in unserem Format „Drei Fragen an“ einen Rückblick.
Lesezeit: 6 Min.
  • Viele Unternehmen unterhalten abseits von ihren Konzern-Zentralen eine Repräsentanz in Berlin für den politischen Dialog. Warum ist dem so und wie würden Sie das Selbstverständnis des REWE Group-Hauptstadtbüros beschreiben?

    Politik, Gesetzgebung und Gesellschaft sind in den letzten Jahren immer komplexer und diverser geworden. Die Vielfalt an Themen, denen sich Politik annimmt, und die durch Gesetze geregelt werden, nimmt stetig zu. In der Regel geschieht dies, weil sich gesellschaftliche Sichtweisen ändern. Bürgerinnen und Bürger betrachten Aspekte wie Umweltschutz, Gleichstellung, Nachhaltigkeit oder den Schutz von Minderheiten heute anders als vor 20 oder 30 Jahren. Neben Verbänden, wie der Handels- oder der Arbeitgeberverband, die in Berlin präsent sind und die Interessen ihrer Mitglieder vertreten, tun dies auch Unternehmen selbst. Der Einzelhandel ist hier im Vergleich zu anderen Branchen sogar relativ spät dran. Die REWE Group war vor zehn Jahren der erste große Lebensmitteleinzelhändler, der ein Büro in Berlin eröffnet hat. Mittlerweile hat der Wettbewerb aber nachgezogen.

    Unser Büro soll in erster Linie Anlauf- und Informationspunkt sein. Wir sehen uns als Ort, an dem der Dialog im Vordergrund steht – ohne Stuck und Kronleuchter. Deshalb vermeiden wir für uns auch den Begriff „Repräsentanz“, weil das immer ein bisschen nach goldenen Wasserhähnen klingt. Wir führen im Büro Gespräche mit unseren Stakeholdern, führen eigene kleinere Veranstaltungen durch, sind Arbeitsort für Kolleg:innen der REWE Group, die dienstlich in Berlin sind und einen ruhigen Raum mit Firmennetzwerk und Kaffee brauchen, und haben beispielsweise auch immer wieder Verbandsgremien zu Gast.

  • Sie sind 2017 bei der REWE Group gestartet und somit seit mehr als sieben Jahren im Hauptstadtbüro tätig. Wie hat sich der Politikbetrieb aus Ihrer Sicht in dieser Zeit verändert?

    Ein Unterschied ist mit Sicherheit das Tempo – auch komplexe und sehr weitreichende Gesetzesvorhaben werden heute mit sehr kurzen Fristen für Stellungnahmen versendet, was es Verbänden, unseren Fachexpert:innen und einem selbst mitunter nicht leicht macht, einen Gesetzentwurf sofort in seiner Gänze erfassen und einschätzen zu können. Das liegt sicherlich auch daran, dass wir uns in den letzten Jahren gefühlt permanent in einem Krisenmodus befinden – von der Corona-Pandemie über die Folgen des Angriffs Russlands auf die Ukraine sowie den eskalierenden Nahost-Konflikt bis zu den immer stärker spürbaren Folgen des Klimawandels, von der Ahrtal-Flut bis zu den Dürreperioden, die wir erleben bzw. erlebt haben. Das macht etwas mit dem Politikbetrieb.

    Mit dem Tempo geht ein immer größerer politischer Anspruch einher – vieles soll umfassender geregelt werden als früher. Oft mit durchaus ambitionierten Zielen, etwa Klima- oder Verbraucherschutz – dies ist in der Praxis für Unternehmen aber oft verbunden mit hohem Aufwand in der Umsetzung und einem Mehr an Bürokratie oder Berichtspflichten. Hier würde ich mir wünschen, dass man noch stärker auf die Unternehmen und ihre Praxiserfahrung hört. Auch uns sind Nachhaltigkeit, Klima- und Verbraucherschutz große Anliegen, aber wir denken von der Praxis her, wissen, wie Kund:innen sich verhalten. Da ist es unser Job als Public Affairs-Abteilung, dranzubleiben und zu erklären – in Berlin genauso wie in Brüssel auf EU-Ebene, wo wir Mitglied einer Büro-Kooperation sind.

    Ein dritter Punkt neben Tempo und Anspruch ist das Thema Transparenz und Compliance. Das seit 2022 bestehende Lobbyregister ist ein Beispiel dafür – aber es zeigt sich auch in einem insgesamt veränderten Verständnis von Public Affairs-Arbeit. Mehr denn je steht die Vermittlung von Informationen, der Einblick in unser unternehmerisches Tun, den wir gern Praxischeck nennen, im Mittelpunkt. Argumente kurz und knapp und für das politische Gegenüber unmittelbar für seine oder ihre Arbeit nutzbar bereitzustellen, ob schriftlich, im direkten Gespräch oder bei einer Veranstaltung, ist essenziell. Mit Champagner am Abend kann man heute nur noch wenige beeindrucken, und das ist auch gut so. Als REWE Group hatten hier immer schon einen informationsfokussierten Anspruch, und den verfolgen wir konsequent weiter.

  • Blicken wir zurück auf eine Dekade REWE Group-Hauptstadtbüro: Welche Highlights kommen Ihnen dabei in den Sinn?

    Statt eines großen Highlights gibt es eigentlich unzählige kleine. Da sind die vielen Termine und Gespräche bei uns im Büro, sei es mit Abgeordneten, mit Mitarbeiter:innen von Verbänden und Institutionen oder mit Kolleg:innen, die – weil gerade in Berlin – bei uns arbeiten. Auch haben wir diverse Veranstaltung in unserem Büro durchgeführt – und tun dies weiter. Dabei zahlt sich auch immer die Nähe zum REWE-Markt oder DERTOUR-Reisebüro zwei Stockwerke unter unserem Büro aus. So können wir direkt „auf der Fläche“ zeigen, wie wir IT-Innovationen oder Maßnahmen zum Energiesparen vorantreiben.

    Und nicht zuletzt haben wir in den letzten zehn Jahren auch viele Lobbyerfolge feiern können. Es ist uns mal in kleinerem und mal in größerem Maße gelungen, unsere Argumente in den politischen Prozess einzubringen und dafür zu sorgen, dass wir unserem Unternehmen Gestaltungsspielräume eröffnen, neue Geschäftschancen etablieren oder übergroße Belastungen abwenden konnten. Solche Momente bestätigen unser gesamtes Public Affairs-Team in unserem Tun – und machen Lust auf mindestens zehn weitere Jahre.

Porträt von Sebastian Lange
Über:
Sebastian Lange

Sebastian Lange ist seit 2017 Leiter des Hauptstadtbüros der REWE Group.