die Welt wird immer schnelllebiger und komplexer. Dieses Gefühl habe nicht nur ich, es wird uns auch immer stärker von unseren Kolleg:innen gespiegelt. Globale Krisen tragen zur allgemeinen Verunsicherung bei. Keine guten Voraussetzungen für die mentale Gesundheit der Bevölkerung – und damit auch für unsere mehr als 280.000 Mitarbeitenden in Deutschland. Wir sind überzeugt: Als Arbeitgeber, als genossenschaftliches Unternehmen, als Kolleg:innen ist es unsere Verantwortung, hier Hilfestellung zu geben. Dringend notwendig sind aber auch mehr gesellschaftliches Verständnis und politische Unterstützung.
Ob psychische Erkrankungen wie Depressionen, Burnout oder Angststörungen, ob Suchtprobleme, finanzielle Sorgen oder Belastungen durch die Pflege von Angehörigen: Wenn Betroffene ihre Situation erkennen und den Schritt wagen, sich Hilfe zu suchen, erleben sie hierzulande leider viel zu oft die Überlastung des Gesundheitssystems. Sie warten Wochen oder Monate auf einen Termin bei einem Therapeuten oder einer Therapeutin. In dieser Zeit spitzen sich die Probleme oft zu. Bereits 2018 forderte die Bundespsychotherapeutenkammer 7.000 zusätzliche Kassensitze insbesondere außerhalb der Großstädte für Psychotherapeut:innen.
Hier setzt unser Employee Assistance Program an: REWE Group-Mitarbeitende haben die Möglichkeit, sich anonym an psychologische Berater:innen zu wenden und erhalten binnen weniger Tage ein Erstgespräch. Das nimmt ganz viel Druck von den Betroffenen. Die Gespräche finden dann online, telefonisch oder vor Ort statt. Möglich macht das unsere langjährige Partnerschaft mit der B·A·D Gesundheitsvorsorge und Sicherheitstechnik GmbH (Berufsgenossenschaftlicher Arbeitsmedizinischer und Sicherheitstechnischer Dienst). Die Abwicklung läuft streng vertraulich ab, Vorgesetze und Kolleg:innen erfahren nichts davon. Auch wir vom Betrieblichen Gesundheitsmanagement erhalten nur anonymisierte Informationen. Was ich Ihnen aber sagen kann: Es gibt keine REWE Group-spezifischen Krankheitsbilder, hier spiegelt sich der Bundesdurchschnitt wider. Das gilt auch für einen starken Anstieg in den letzten beiden Jahren. Bei uns sind nach einer Auswertung der B.A.D GmbH von 2022 37 Prozent mehr Anfragen eingegangen. Tendenz steigend. Wir sind froh, dass wir den Betroffenen so schnell helfen können. Allerdings wird die langfristige Vermittlung in Hilfsgruppen oder eine psychotherapeutische Praxis immer schwieriger. Aufgrund unserer Erfahrungen lautet unser klarer Appell an den Gemeinsamen Bundesausschuss, der die Anzahl der Kassensitze festlegt, hier dringend Abhilfe zu schaffen. Die langen Wartezeiten sind für die Menschen mit psychischen Erkrankungen eine Tortur – und auch aus wirtschaftlicher Sicht bedenklich: Lange Ausfallzeiten verschärfen den Arbeitskräftemangel in Deutschland. Gleichzeitig steigt für viele die Arbeitsbelastung, weil Kolleg:innen mit psychischen Erkrankungen ausfallen. Der Zusammenhang zwischen Personalmangel und Krankenstand ist branchenübergreifend längst dargelegt, etwa durch den DAK-Gesundheitsbericht 2023. Auch deshalb begrüßen wir die politischen Bestrebungen, die Arbeitsmarktintegration geflüchteter Menschen mit Bleibeperspektive zu forcieren und zu erleichtern.
Wir wollen die Lücken dort schließen, wo erkrankte Mitarbeitende keine schnelle Unterstützung finden. Bedarfsgerechte, orts- und zeitunabhängige Angebote zu schaffen – das ist unser Anspruch. Manche der betroffenen Mitarbeitenden telefonieren ohnehin nicht gerne und brauchen den direkten Austausch in der Praxis; anderen ist ein digitales Gespräch ohne Fahraufwand am liebsten. Mit unserer Initiative LoS! schaffen wir seit 2011 auch ein niedrigschwelliges Angebot: LoS!, das steht für lebensphasenorientierte Selbsthilfekompetenz. Dahinter verbirgt sich die Schulung und Weiterbildung von Mitarbeitenden zu sogenannten Multiplikator:innen. Ob bei Themen wie Scheidung, Krankheit, Pflege oder Schulden, sie unterstützen betroffene Kolleg:innen indem sie zuhören, sie auffangen und – wenn nötig – auch sanft an weitere Hilfestellen heranführen und weiterleiten. Derzeit zählen wir fast 300 LoS!-Multiplikator:innen. Sie erhalten umfangreiches Unterstützungsmaterial, tauschen sich bei Treffen aus und können Fälle auch mit einer Psychologin besprechen. Hilfe von Kolleg:innen für Kolleg:innen, über alle Vertriebslinien hinweg, von den Märkten über die Zentrale bis in die Lagerstandorte, immer vertraulich. Auf dieses Ehrenamts-Konzept sind wir sehr stolz, weil so viel Herzblut aus der Kollegschaft hier hineinfließt. Deshalb haben wir uns vor einigen Wochen auch enorm über den Gewinn des Otto-Heinemann-Preises in der Kategorie für Arbeitgebende mit mehr als 1.000 Beschäftigten gefreut. Eine tolle Wertschätzung für die Arbeit der LoS!-Multiplikator:innen!