Krumme Karotten, verformte Kartoffeln, verfärbte Paprika? Welche Auswirkungen der Klimawandel auf Wachstum und Aussehen von Obst und Gemüse hat, erklärt Klaus Rauhaus, Geschäftsführer Genossenschaft der Öko-Bauern eG/Hof Rosenau GmbH.
Krumme Karotten, verformte Kartoffeln, verfärbte Paprika? Welche Auswirkungen der Klimawandel auf Wachstum und Aussehen von Obst und Gemüse hat, erklärt Klaus Rauhaus, Geschäftsführer Genossenschaft der Öko-Bauern eG/Hof Rosenau GmbH.
In diesem Jahr waren die Folgen des Klimawandels durch die Hochwasserkatastrophe im Ahrtal deutlich zu spüren. Expert:innen sind sich einig, dass wir in Zukunft häufiger mit solchen Extremwetterereignissen rechnen müssen. Welche Auswirkungen haben solche Wetterlagen auf das Wachstum von Obst und Gemüse?
Klaus Rauhaus: Wir müssen uns die Ausgangsituation vor Augen führen: In den letzten Jahrzehnten waren wir in Deutschland in der komfortablen Situation, dass immer genügend Obst und Gemüse in gleichbleibend guter Qualität vorhanden war – selten gab es Knappheiten. Durch den Klimawandel wird es aber in absehbarer Zeit in einzelnen Phasen (Jahren, Monaten, Jahreszeiten) eine Verknappung von bestimmten Obst- und Gemüsesorten geben, das spüren wir ansatzweise heute schon. Es kann in Zukunft passieren, dass einzelne Produkte kurzzeitig im Extremfall nicht verfügbar sind. Wir sind gut darin beraten, damit umgehen zu können, dass nicht immer alles jederzeit erhältlich ist, ohne Schwarzmalerei zu betreiben.
Welche Obst- und Gemüsesorten sind am stärksten von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen?
Klaus Rauhaus: Obst- und Gemüsesorten, die eine geringe Vegetationszeit haben, sind eindeutig am stärksten betroffen, weil sie in kürzester Zeit ihren Ertrag bilden müssen. Salat, Brokkoli oder Kohl sind beispielsweise hochempfindlich. Bei diesen Sorten sind die Ansprüche der Kund:innen, was das Aussehen angeht, sehr hoch. Wenn in der Kürze ihres Lebenszyklus eine Dürreperiode oder eine Überschwemmung auftritt, erhalten sie keine Chance, zu gedeihen. Das kann bestenfalls dazu führen, dass die Sorten Verformungen entwickeln oder sich ihr Aussehen von der Norm abweicht. Im schlimmsten Fall würde es jedoch zu einem kompletten Ernteausfall führen. Es ist mir in diesem Zusammenhang wichtig zu betonen, dass ich kein pessimistisches Szenario aufzeige, sondern eine realistische Einschätzung der Lage abgebe, die auf den Erfahrungswerten der Landwirte und Landwirtinnen beruht.
Da Sie die Landwirt:innen ansprechen – was sind die größten Herausforderungen für sie?
Klaus Rauhaus: Da es in Zukunft immer häufiger Ausnahmejahre mit großer Hitze, sehr viel oder zu wenig Niederschlag geben wird, zählen die Erfahrungen aus der Vergangenheit nur noch bedingt. Da das Erfahrungswissen aus Jahrzehnten oder sogar Jahrhunderten durch die Klimaveränderungen nicht mehr komplett gültig ist, müssen die Landwirtinnen und Landwirte sich auf extreme Wetterlagen wie Dürre oder Überschwemmungen neu einstellen und neue Erfahrungen sammeln, Techniken testen oder ähnliches.
Betreffen die Veränderungen durch den Klimawandel die Öko-Landwirtschaft in höherem Maße als die konventionelle Landwirtschaft?
Klaus Rauhaus: Im ökologischen Landbau ist das Problem stärker ausgeprägt, da die Bio-Landwirtschaft mit weniger chemischen Steuerungsmöglichkeiten als die konventionelle Landwirtschaft auskommen muss. Kurz gesagt: Wenn die Natur verrücktspielt, haben die Öko-Bäuer:innen wesentlich weniger Möglichkeiten, regulierend einzugreifen.
Können Sie an einem konkreten Beispiel aufzeigen, welchen Einfluss der Klimawandel konkret auf die Qualität von Obst und Gemüse haben kann?
Klaus Rauhaus: In Folge der Klimaveränderung verbleiben Wetterlagen wie zum Beispiel andauernde Trockenheit oder Starkregen länger an einem Ort. Eine Kultur, wie beispielsweise die Früh-Karotte, die einen Lebenszyklus von nur 100 Tagen hat, benötigt eine kontinuierliche Versorgung mit Nährstoffen, Sonne und Wasser, um optimal gedeihen zu können. Wenn sich aber die Bedingungen durch Wetterextreme verändern, bedeutet das, dass der Ertrag geringer ausfallen wird, da die permanente Versorgung der Pflanze mit Nährstoffen nicht mehr gewährleistet werden kann. Ein geringeres Angebot wird nach den Gesetzmäßigkeiten des Marktes zwangsläufig zu höheren Preisen führen – oder die Verbraucher:innen werden umdenken müssen.
Was meinen Sie damit, dass die Verbraucher:innen umdenken müssen?
Klaus Rauhaus: Da wir in Zukunft immer mehr Jahre haben werden, in denen nicht genügend Obst und Gemüse in der vorgeschriebenen und gewohnten Qualität zur Verfügung stehen wird, werden die Verbraucher:innen sich von bestimmten Vorstellungen, was das Aussehen der Sorten angeht, verabschieden müssen. Der Brokkoli schmeckt genauso gut und ist genauso gesund, wenn er nicht komplett grün ist, sondern farbliche Veränderungen aufweist. Die Kartoffel ist ebenfalls genau so lecker, wenn ihre Form nicht ganz der Norm entspricht. Wir alle müssen eine größere Toleranz entwickeln, da technische Entwicklung und Züchtungsfortschritte das Problem nicht lösen, sondern allenfalls nur abmildern können.
Inwiefern kann eine Marke, wie zum Beispiel die Naturgut Bio-Helden bei PENNY dabei helfen, neue Absatzwege für Obst und Gemüse zu finden, dessen Aussehen nicht der Norm entspricht?
Klaus Rauhaus: Die Bio-Helden sind in meinen Augen ein Zukunftsprojekt, dass uns zeigt, wie der Anteil verwertbarer Lebensmittel gesteigert werden kann. Wir müssen es schaffen, von unseren hohen Ansprüchen wegzukommen und lernen, dass eine Karotte nicht schlechter schmeckt, wenn ihre Form nicht der Norm entspricht. Die Bio-Helden sind ein großartiges Projekt und sollten richtungsweisend für den gesamten Lebensmittelhandel sein.
Da Sie den Lebensmittelhandel ansprechen – wo sehen Sie die größte Stellschraube, um ein Umdenken bei den Verbraucher:innen zu erreichen?
Klaus Rauhaus: Der Handel nimmt als wichtiger Multiplikator eine zentrale Rolle ein, wenn es darum geht, ein Umdenken bei den Verbraucher:innen zu erzielen. Die Botschaft im Markt Wir versuchen die Lebensmittel mehr wertzuschätzen und einen höheren Anteil der Nahrungsmittel für den menschlichen Verzehr zur Verfügung zu stellen
ist immens wichtig, denn die größte Stellschraube ist und bleibt die Akzeptanz der Verbraucher:innen. Die Sensibilität ist vorhanden und die Zeit genau richtig dafür. Verbraucher:innen müssen es verstehen, nachvollziehen können und einen theoretischen und bestmöglich praktischen Nutzen davon haben.