Politik

25. August 2023

„Die Herausforderungen im Tourismus nehmen in Zeiten des Klimawandels kontinuierlich zu“

Waldbrände, Tropenstürme, Regenmassen: In der aktuellen Stimme des Monats gibt Melanie Gerhardt, Director Crisis Management DER Touristik, Einblicke in das Krisenmanagement des Touristikkonzerns und erläutert zudem, wie wichtig die Absicherungen der Pauschalreise angesichts der auch in Urlaubsregionen immer stärker spürbaren Folgen des Klimawandels sind.
Lesezeit: 6 Min.

Liebe Leser:innen,

Die Welt ist ein Buch. Wer nie reist, sieht nur eine Seite davon, soll der römische Philosoph Augustinus schon im 4. Jahrhundert gesagt haben. Für mich ist diese Aussage auch heute noch topaktuell. Reisen eröffnet einen anderen Blick auf die Welt. Neben dem Wunsch, sich im Urlaub rundum zu erholen, kommt die pure Neugier, sich Wissen auf die denkbar schönste Art anzueignen, gleichzeitig andere Menschen und Kulturen kennenzulernen, hinzu. Reisen fördert Toleranz und Völkerverständigung und verbindet Welten. Das macht das Arbeiten in unserer Branche für mich auch so besonders.

Eine Reise zu buchen ist heutzutage maximal unkompliziert, im Netz geht es per Mausklick. Was nicht allen Reisenden bewusst ist: Wer Einzelleistungen im Internet auf eigene Faust bucht, ist in der Regel nicht umfassend gegen unvorhersehbare Ereignisse auf Reisen gewappnet. Anders bei der Pauschalreise, die zahlreiche Absicherungen beinhaltet. Dazu gehört auch ein schlagkräftiges Krisenmanagement, das die Welt im Blick hält und 24/7 bereitsteht, um Reisenden bei Bedarf zu helfen und die Krisenlage zu managen: Wenn Flüge ausfallen, organisieren unsere Betreuungseinheiten neue. Wenn der Aufenthalt im Zielgebiet zwangsverlängert werden muss, suchen unsere Betreuungseinheiten Hotels und übernehmen dafür die Mehrkosten. Auch Transfers werden angepasst. Und natürlich informieren wir unsere Reisegäste stets aktuell. Sollte es die Lage erfordern, steht mit unserem Help Team sogar eine schnelle Eingreiftruppe bereit. Ich bin überzeugt, dass aus derlei Gründen die klassische Pauschalreise in Mode ist und bleibt.

Selbstverständlich sind wir im Zuge einer umfassenden Krisenprävention bestrebt, dass unsere Reisegäste gar nicht erst mit einer Krise in konfrontiert werden. Dazu halten wir die Welt mittels modernster Beobachtungs- und Warn-Technologie im Blick: Falls sich irgendwo auf dem Globus eine Krise abzeichnen sollte, erfahren wir das sofort und können entsprechend schnell reagieren. Doch die Herausforderungen im Tourismus nehmen in Zeiten des Klimawandels kontinuierlich zu. Jüngste Beispiele sind die Brände auf Hawaii, Teneriffa und Rhodos, aber auch in Kanada. Zudem gehen wir davon aus, dass wir in diesem Jahr eine heftige Hurrikan-Saison erleben werden.

Krisen lassen sich also nicht vermeiden. Pandemien, Naturkatastrophen, politische Unruhen oder Streiks treffen immer wieder auch Urlaubsregionen. Wie gut Krisenmanagement in Zeiten des Klimawandels funktionieren kann, konnte ich vor einigen Wochen auf Rhodos sehen. Direkt nach den Bränden bin ich quer über die Insel gefahren, vom verschont gebliebenen Norden bis in den Süden, wo die Flammen unübersehbare Narben in der Landschaft hinterlassen haben. Ich habe aber auch gesehen, wie schnell und effektiv Feuerwehr und Katastrophenschutz vor Ort gearbeitet haben und die Brände – insbesondere durch das geschickte Anlegen von Brandschneisen – von Ortschaften und Hotelzonen fernhalten konnten. So konnte viel Schaden für die Bevölkerung und für Tourist:innen verhindert werden.

Die vergangenen Wochen zeigen, dass ein guter Katastrophenschutz für Reiseziele in Europa künftig unentbehrlich sein wird. Um sich gegen die Folgen des Klimawandels zu wappnen, braucht es neben Sicherheitsstrategien aber auch die Weiterentwicklung globaler Konzepte für Extremwettersituationen.

Melanie Gerhardt, Director Crisis Management DERTOUR Group
Porträt von Melanie Gerhardt
Melanie Gerhardt, Director Crisis Management DERTOUR Group

Das Beispiel Rhodos hat erneut gezeigt: Unabdingbar in einer Krisensituation ist das reibungslose Zusammenspiel und eine gute Kommunikation der beteiligten Akteure, insbesondere Veranstalter, Leistungsträger, Behörden und Katastrophenschutz. Wir waren durchgängig 24 Stunden erreichbar und konnten direkt mit unseren Kund:innen kommunizieren und die nächsten Schritte, wie Umbuchungen oder die Rücktransporte, einleiten. Und ich bin wirklich stolz darauf, wie gut das alles auf Rhodos in Anbetracht der Umstände geklappt hat. Allen betroffenen Pauschalreisegästen konnte dort schnell geholfen werden und alle Gäste waren wohlauf.

Neben der eigentlichen operativen Tätigkeit bereiten wir uns konstant auch durch die Etablierung geeigneter Strukturen und (Notfall-)Prozesse auf alle denkbaren Szenarien vor, erstellen zum Beispiel stets aktuelle Krisen-Leitfäden, Extremwetter-Checklisten und umfassende Flyer für Endkund:innen und Reisebüros. Auch Künstlicher Intelligenz und automatisierten Meldewegen werden hier eine immer größere Bedeutung zukommen. Krisenmanagement-Seminare zu Extremsituationen und weitere Trainingsprogramme runden dieses Engagement ab, auch verbandsseitig, beispielsweise im Krisenmanagement-Ausschuss des Deutschen Reiseverbands, dessen Vorsitzende ich sein darf.

Die vergangenen Wochen zeigen, dass ein guter Katastrophenschutz für Reiseziele in Europa künftig unentbehrlich sein wird. Um sich gegen die Folgen des Klimawandels zu wappnen, braucht es neben Sicherheitsstrategien aber auch die Weiterentwicklung globaler Konzepte für Extremwettersituationen. Auch in den Urlaubsregionen – insbesondere bei den Katastrophenschutzbehörden – wird stetig nachjustiert und verbessert. Und genau das ist der richtige Weg, denn die Brände auf Rhodos und Teneriffa zeigen, dass ein guter Katastrophenschutz für Reiseziele in Südeuropa künftig unentbehrlich sein wird.  Auch braucht es vor Ort entsprechende Infrastrukturen – auf Rhodos zum Beispiel Wassertanks in den Bergen, um Brände noch schneller und wirksamer bekämpfen zu können. Dass auch Nachsorge ein Thema sein muss, habe ich zuletzt auf Rhodos gesehen. Dort machte man sich bereits unmittelbar nach den Bränden Gedanken um die Wiederaufforstung. Dieser Blick nach vorn ist für die Urlaubsdestinationen enorm wichtig.

Die Sicherheit unserer Reisegäste hat oberstes Gebot. Die Anforderungen an uns als Reisekonzern und an das Krisenmanagement, aber auch an die Urlaubsdestinationen selbst und an Regierungen, nehmen stark zu. Ich bin positiv gestimmt, weil sich entsprechende Sicherheitskonzepte und -strategien immer weiterentwickeln. Doch gilt auch ganz klar: Eine solche Absicherung für Gäste greift ausschließlich, wenn sie eine Pauschalreise gebucht haben. Der Aspekt des Verbraucherschutzes kommt mir in der öffentlichen Diskussion leider viel zu häufig zu kurz.

Ihre Melanie Gerhardt

Porträt von Melanie Gerhardt

Über:

Melanie Gerhardt

Director Crisis Management DERTOUR Group

startete 1995 beim Reisekonzern, der zur REWE Group zählt.