Nachhaltigkeit

13. Dezember 2021

Partnerschaften mit Landwirt:innen: „Es braucht ein Vertrauens­verhältnis“

Die Produkte von „Ja! Natürlich“ zeichnet aus, dass sie regional und in Bio-Qualität von Landwirt:innen angebaut werden, die partnerschaftlich mit der REWE Group Österreich zusammenarbeiten.
Lesezeit: 10 Min.

Dr. Andreas Steidl, Geschäftsführer der Eigenmarke „Ja! Natürlich“ und Leiter des Qualitätsmanagements der REWE Group Österreich, spricht im Interview darüber, was gute Partnerschaften mit Landwirt:innen auszeichnet, warum jede Zusammenarbeit anders ist und warum Innovationen wichtig sind. Außerdem beschreiben Landwirt:innen die Partnerschaft mit der REWE Group Österreich aus ihrer Sicht.

Was erwartet „Ja! Natürlich“ von seinen Partner:innen aus der Landwirtschaft?

Dr. Andreas Steidl: Das Wichtigste ist gegenseitiges Verständnis. Wir bei „Ja! Natürlich“ akzeptieren, dass ein Landwirt nicht alles beeinflussen kann, was für die Produktion wichtig ist. So kann er sich beispielsweise nie vollständig gegen die Folgen außergewöhnlicher Witterungen absichern. Aber natürlich darf er sich bei Lieferschwierigkeiten nicht immer auf Naturgewalten berufen.

Wir erwarten, dass er alle seine Möglichkeiten ausschöpft, um Qualität und Lieferzuverlässigkeit zu gewährleisten. Denn wir benötigen stabile Mengen – sonst sind wir gezwungen, uns nach anderen Lieferanten umzuschauen. Wenn der Landwirt investieren muss, um eine konstant gute Ernte zu gewährleisten – zum Beispiel in eine zusätzliche Beregnung – sollte er uns ansprechen. Gemeinsam können wir dann nach einer passenden Lösung suchen.

Porträt von Andreas Steidel
Über:
Dr. Andreas Steidl

ist Geschäftsführer der Eigenmarke „Ja! Natürlich“ und Leiter des Qualitätsmanagements der REWE Group Österreich.

Öfter mal etwas Neues im Regal oder lieber Bewährtem vertrauen: Wie offen ist „Ja! Natürlich“ für Experimente?

Dr. Andreas Steidl: Es braucht Mut, immer wieder neue Produkte zu testen. Der Regalplatz ist knapp und selbstverständlich kann nicht jede Innovation ein Erfolg sein. Aber es ist wichtig, experimentierfreudig zu bleiben. Auch wenn ein Produkt nicht wie erhofft angenommen wird, ist ein Test nie umsonst. Solche Aktionen zeigen den Kunden, dass wir uns bewegen und offen für Neues sind.

Wie häufig werden neue Produkte getestet?

Dr. Andreas Steidl: Es gibt eine beachtliche Zahl von Landwirten, die Dinge ausprobieren und sich auch von Rückschlägen nicht entmutigen lassen. Anfragen bekommen wir mitunter im Monatsrythmus. Dann müssen wir überlegen: Passt das Produkt und ist der Landwirt dauerhaft lieferfähig? Nur wenige Ideen sind so ausgereift, dass sie bereits eine Pilotphase auf einer kleinen Handelsfläche hinter sich haben.

Wird jedes neue Produkt gleich landesweit angeboten und gibt es deshalb Mindestanforderungen an die Mengen, die eine Landwirtin oder ein Landwirt liefern muss?

Dr. Andreas Steidl: Das ist abhängig vom Produkt. Bei Obst und Gemüse erfolgt die Belieferung häufig aus der Region – da lassen sich Innovationen gut in einigen ausgesuchten Märkten testen. Bei anderen Artikeln ist das schwieriger. Es gibt kein Patentrezept. Wichtig ist uns, dass wir Dinge angehen, die das Potential haben, für größere Aufmerksamkeit zu sorgen. Voraussetzung dafür ist Ernsthaftigkeit. Etwas Neues nur um der Neuigkeit willen zu tun, führt zu nichts. Dafür ist der erforderliche Aufwand zu groß.

Wie stellt „Ja! Natürlich“ eine gleichbleibend hohe Qualität sicher?

Dr. Andreas Steidl: Es braucht ein Vertrauensverhältnis. Wir müssen uns auf den Landwirt verlassen können. Gleichzeitig müssen wir aber auch uns hinterfragen, ob das, was wir verlangen, machbar ist. Wenn die vereinbarte Qualität der Waren nicht stimmt, ist die Zusammenarbeit sehr schnell beendet. Wir haben aber auch Verständnis für Anlaufprobleme. Denn es ist selten, dass alles gleich von Beginn an perfekt funktioniert. Das ist aber kein Freibrief für die Landwirte. Wir erwarten, dass sie die Voraussetzungen schaffen, Qualitätsrisiken klein zu halten.

Wer ist Innovationstreiber: Die Landwirt:innen, die Ideen zu Ja! Natürlich tragen oder der Handel, der sie anregt, Neues auszuprobieren?

Dr. Andreas Steidl: Impulse kommen von beiden Seiten. Ich freue mich, wenn mir jemand Vorschläge macht und umgekehrt gefällt es mir, wenn Landwirte meine Anregungen aufgreifen und wir gemeinsam nach Lösungen suchen. Denn erst in einer Diskussion kann aus einer guten Idee eine bessere Idee werden.

Gibt es Landwirt:innen mit Berührungsängsten vor einem so großen Unternehmen wie der REWE Group?

Dr. Andreas Steidl: Ja, möglicherweise scheuen manche Landwirte aus diesem Grund eine Zusammenarbeit. Deshalb ist es wichtig, immer wieder Beispiele guter Partnerschaften zwischen „Ja! Natürlich“ und Bio-Bauern herauszustellen. Das baut Hemmungen ab und ermuntert hoffentlich manchen Landwirt, uns anzusprechen. Manchmal verweisen wir aber auch auf die bäuerlichen Organisationen, mit denen wir zusammenarbeiten. Sie verfügen über die erforderlichen Infrastrukturen, an denen es kleinen Landwirten häufig mangelt. Zu einer offenen und fairen Partnerschaft gehört auch, keine überzogenen Versprechungen zu machen und ehrlich zu sagen, wenn eine Zusammenarbeit keinen Erfolg verspricht.

Nahaufnahme eines bepflanzten Ackers.

Stimmen der Landwirt:innen

Die Landwirt:innen beschreiben was ihnen aus ihrer Sicht besonders wichtig ist bei der Partnerschaft mit der REWE Group Österreich.

Wir hatten die Nachfrage erheblich unterschätzt.

Georg Lunzer, Bio-Weinbauer aus dem Burgenland
Porträt von Georg Lunzer
Georg Lunzer, Bio-Weinbauer aus dem Burgenland

Ich war einer der ersten Bio-Weinbauern in der Region. Bereits 1995 hatte ich den von meinen Eltern ein paar Jahre zuvor geerbten Betrieb komplett auf Bio umgestellt. Abnehmer hatte ich hier bei uns im Burgenland und vereinzelt auch in anderen Teilen Österreichs. Der Vertrieb war aufwändig und nicht das, was mir wirklich Spaß machte. Viel lieber wollte ich im Weinberg arbeiten. So habe ich mich auf die Suche nach einem starken und verlässlichen Abnehmer gemacht. Die Marke Ja! Natürlich war damals relativ neu im Markt. So kam ich auf die Idee, Kontakt zur REWE-eigenen Weinkellerei Wegenstein aufzunehmen. 2001 haben wir uns auf einen Test verständigt: Wir wollten herausfinden, ob es einen Markt für Bio-Wein der Marke Ja! Natürlich gibt. Gut 5000 Flaschen, so hofften wir, sollten sich im ersten Jahr absetzen lassen. Schon nach zwei Monaten zeichnete sich ab, dass wir die Nachfrage erheblich unterschätzt hatten. Gleich im ersten Jahr verkaufte Merkur mehr als 8.000 Flaschen. Heute werden von vier Bio-Weinbauern etwa 350.000 Flaschen Ja! Natürlich Weine an Billa, Billa Plus, Adeg und Sutterlüty geliefert.

Wie ich das in der Produktion stemme? Ich habe sehr früh angefangen, befreundete Bio-Winzer aus der Region mit ins Boot zu nehmen. Sie bauen die Trauben nach den von mir vorgegebenen Kriterien an. Das funktioniert gut. Ich hatte nie Sorge, dass ein kleiner Bio-Weinbauer wie ich und die große REWE Group nicht zueinander finden können. Unsere Zusammenarbeit hat von Anfang an gut funktioniert und hält nun schon 20 Jahre. Für mich war es die Chance, flächendeckend in ganz Österreich mit meinen Weinen vertreten zu sein, ohne mich um den Vertrieb kümmern zu müssen.  Üblicherweise bin ich zwei-, dreimal im Jahr in der Zentrale in Wiener Neudorf. Meine Ansprechpartner sind Mitarbeiter der Weinkellerei Wegenstein, die auch das Qualitätsmanagement für die Ja! Natürlich Weine durchführt. Bestellungen erhalte ich online; die Vorlaufzeit beträgt meist vier bis fünf Tage. Manchmal gibt es auch einen Anruf: Herr Lunzer, können Sie übermorgen Ware liefern?

Die größte Herausforderung hatte ich 2016 zu meistern. Frost hatte einen großen Teil der Ernte vernichtet. Damals erlaubte mir Ja! Natürlich, Ware aus Niederösterreich zuzukaufen. Hier bei uns im Burgenland waren nahezu keine Trauben zu bekommen gewesen. Es ist erschreckend, mit welcher Regelmäßigkeit Frost und auch Hagel inzwischen immer wieder Ernteausfälle verursachen.

Die Nachfrage der REWE-Handelsfirmen ist sehr stabil: 160.000 Flaschen, allenfalls mal zehn Prozent mehr, mal zehn Prozent weniger. Sollte es in den nächsten Jahren deutlich mehr werden, ist das auch kein Problem: Dann werde ich weitere Partnerschaften mit anderen Bio-Winzern eingehen. Meine eigene Rebfläche von knapp 16 Hektar möchte ich nicht erweitern. Es dauert vier bis fünf Jahre, bis ein neuer Weinberg Erträge abwirft. Mit dem Zukauf von Trauben lässt sich sehr viel besser auf Marktveränderungen reagieren. Die meistgefragte Rebsorte? Ganz klar der Zweigelt, der im Übrigen auch die in Österreich meistverbreitete Rotweinsorte ist. Er ist bei Billa zu finden. Gefragt sind auch Blaufränkisch und Weißburgunder, die bei Billa Plus erhältlich sind.

Keiner redet dem anderen rein.

Hubert Stark, Bio-Schweinebauer im oberen Waldviertel, Gesellschafter der Bioschwein Austria VertriebsgmbH
Porträt von Hubert Stark
Hubert Stark, Bio-Schweinebauer im oberen Waldviertel, Gesellschafter der Bioschwein Austria VertriebsgmbH

Unser Hof befindet sich seit 1845 im Familienbesitz und wurde von Generation zu Generation erneuert. Meine Frau Martina und ich haben den Betrieb 1992 übernommen und auf biologische Wirtschaftsweise umgestellt. Im Jahr 2000 haben wir mit biologischer Schweinemast begonnen. Wir sind Mitglied der Bioschwein Austria Vertriebsgmbh, der bei weitem größten Vermarktungsorganisation für Bio-Schweine in Österreich. Zum Verbund gehören mehr als 300 Landwirte. Gemeinsam liefern wir etwa 60.000 Tiere an den Lebensmittelhandel, an regionale Vermarkter und Fleischer sowie an große Fleischverarbeitungsbetriebe in Österreich.

Die Zusammenarbeit insbesondere mit dem Einzelhandel war anfangs nicht immer einfach. Bio-Schweinebauern haben einen langen Planungshorizont: Bis ein neuer Stall gebaut ist, die Zucht beginnen kann und die Tiere schlachtreif sind, vergehen meist drei bis vier Jahre. Das ist wie bei einem Ozeandampfer, der viel Zeit benötigt, um seinen Kurs zu ändern. Der Handel dagegen agiert häufig eher wie ein Schnellboot: Zieht die Nachfrage an, benötigt er zügig weitere Ware, um die Kundenwünsche zu erfüllen – und umgekehrt. Diese unterschiedliche Ausgangsposition führte lange Zeit zu sehr volatilen Preisen und hektischen Produktionsanpassungen. Das hatte Nachteile für beide Seiten: Wir Bio-Bauern konnten nicht sicher sein, dass sich unsere Investitionen später auch rechnen, und der Handel konnte sich nicht darauf verlassen, jederzeit ausreichend beliefert zu werden.

Vor etwa zehn Jahren haben wir gemeinsam mit Ja! Natürlich beschlossen, diesem hektischen Auf und Ab ein Ende zu setzen und konstante, kontinuierlich leicht steigende Preise vereinbart. Wir Landwirte benötigen Planungssicherheit. Nur dann können wir die Produktion stabil weiterentwickeln. Voraussetzung für eine solche Vereinbarung ist ein tiefes gegenseitiges Vertrauen. Jeder legt seine Kalkulation offen. Es herrscht Transparenz und keiner redet dem anderen rein. Davon profitieren am Ende alle Beteiligten in der Kette. Wir Bio-Schweinebauern wissen früh, welchen Preis wir für die Tiere erzielen werden. Das erleichtert uns die Kalkulation. Gleiches gilt für den Handel. Er weiß jederzeit, welche Mengen er zu welchen Konditionen beziehen kann. Und der Kunde wiederum darf sicher sein, stets hochwertige Ware zu einem angemessenen Preis zu erhalten. Etwa zweimal im Jahr tauschen wir uns persönlich mit Mitarbeitern von Ja! Natürlich aus. Das hilft uns bei der Einschätzung, wie sich der Markt entwickeln wird. Aktuell gehen wir davon aus, dass die Nachfrage nach Bio-Schweinefleisch in den nächsten Jahren weiter kontinuierlich zunehmen wird.

Vor ein paar Jahren wurde unsere Zusammenarbeit auf eine harte Probe gestellt. Ja! Natürlich beharrte darauf, dass die Ferkelkastration nur noch unter Betäubung stattfinden sollte. Wir Bio-Bauern haben das zunächst anders gesehen. Am Ende haben wir dem Wunsch des Handels zugestimmt, aber den Preis neu kalkuliert. Das war ein hartes Ringen. Aber es zeigte auch, wie wichtig diese Partnerschaft allen Beteiligten ist. Ich wünsche mir, dass sich daran so bald nichts ändert. Für uns Bio-Bauern ist es enorm wichtig, nicht darüber nachdenken zu müssen, wie sich der Preis in der nächsten Woche oder im nächsten Monat entwickeln wird. Damit können wir dem Handel die Sicherheit bieten, stets im erforderlichen Umfang beliefert zu werden.

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