Politik

30. September 2024

Drei Fragen an Dagmar Klingelhöller zur Novellierung des Tierschutzgesetzes

Die Bundesregierung hat kürzlich Änderungen des Tierschutzgesetzes beraten, die endgültige Verabschiedung durch den Bundestag steht noch aus. In unserem Format „Drei Fragen an“ ordnet Dagmar Klingelhöller diese Novellierung aus Sicht einer betroffenen Sauenhalterin ein. Sie ist Betriebsleiterin der AHG Schweineservice GmbH. Im Norden hält ihre Familie an zwei Standorten Sauen zur Mastferkelproduktion. Außerdem ist Dagmar Klingelhöller Sprecherin des Netzwerk Sauenhaltung Schleswig-Holstein, Mitglied der Zentrale Koordination Handel-Landwirtschaft (ZKHL) und im Experten:innenkreis des Kompetenzzentrum Landwirtschaft der REWE Group aktiv.
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  • Welche Neuerung sieht die Novellierung des Tierschutzgesetzes in Bezug auf die Schweinehaltung vor, welches die Bundesregierung im Mai auf den Weg gebracht hat und welches derzeit im Bundestag behandelt wird?

    Zuerst einmal sind von diesem Gesetz nicht nur die landwirtschaftlichen Betriebe betroffen, sondern auch der Handel und die Konsument:innen. Die Haltung der Ferkel und Mastschweine wird deutlich aufwändiger. Einigkeit besteht in der gesamten Produktionskette, dass Tierschutz und Tierwohl wichtig sind und stetig und schrittweise weiterentwickelt werden müssen.

    Die Novellierung des Tierschutzgesetzes sieht eine Verschärfung des Kupierverbots für Ferkelschwänze vor. Zukünftig ist die Haltung von Schweinen mit gekürzten Schwänzen nur noch in wenigen Ausnahmefällen erlaubt. Dieses Kupierverbot stellt die Betriebe vor große Herausforderungen. Aus bis heute nicht ausreichend erforschten Gründen kommt es sowohl in der Bioschweinehaltung als auch in der konventionellen Schweinehaltung zu Schwanzverletzungen durch Kauverhalten von Buchtengenossen. Der Einsatz von faserreichen Futtermitteln, Kaumaterialien, Spielzeug und mehr Platz führt nach meiner Erfahrung nicht zum befriedigenden Erfolg, sprich dem unversehrten Tier.

  • Welche Herausforderung bringt die Novellierung konkret für Ihren Betrieb mit sich?

    Wenn ich ehrlich sein darf, wir wissen nicht wie es flächendeckend funktionieren kann und können die Umsetzung und mögliche Folgen nicht abschließend abschätzen. Seit mehreren Jahren ziehen wir einige Ferkel mit unkupierten Schwänzen auf. Die Aufzucht der Langschwanzferkel ist mit sehr viel Aufwand – etwa Platz, Tierkontrolle, Beschäftigungsmaterial, Müsli, Spielzeug – verbunden und funktioniert nur eingeschränkt sicher. Ich kann berichten: Es gibt immer wieder Gruppen, die an den Schwänzen beißen, obwohl die Haltungsbedingungen gut sind. Und wenn die Ferkel beißen, blutet der Schwanz und das ist etwas, was wir aus Tierschutz- und Produktionsgründen nicht tolerieren wollen und nur schwer erklären können.

    Im europäischen oder gar im internationalen Vergleich haben wir unterschiedlichste Gesetze und Produktionsbedingungen, die zu einer Ungleichheit am Markt führen. Das deutsche Ferkel würde bei einer Umsetzung des aktuell vorliegenden Gesetzes jedenfalls deutlich teurer werden müssen, was dann auch Handel und vor allem Konsument:innen betrifft.

  • Wie lautet Ihre Botschaft an die Politik?

    Die Novellierung des Tierschutzgesetzes darf nur im europäischen Konsens entwickelt werden und muss dann auch innerhalb der EU länderübergreifend umgesetzt und kontrolliert werden.
    Es muss verhindert werden, dass kupierte Ferkel und Schlachtschweine aus dem Ausland nach Deutschland fließen. Diese Tiere wären von der deutschen Gesetzgebung ausgeschlossen. Gleiches gilt natürlich auch für den Import von geschlachteten Tieren.

    Die Landwirtschaft ist bereit über den „Aktionsplan zum Kupierverzicht“ an der Optimierung von Maßnahmen zur Reduzierung des Schwanzbeißens weiterzuarbeiten. Dieser Aktionsplan sollte auch von der Bundesregierung verfolgt werden und gegebenenfalls im Gesetz aufgenommen und weiterentwickelt werden.
    Wenn Einigkeit zwischen Politik, Landwirtschaft, Handel und Verbraucher:innen besteht, dass am Standort Deutschland weiterhin Tiere gehalten werden sollen, dann darf die Politik nicht einseitig die deutsche Landwirtschaft belasten und das Halten von Tieren nahezu unmöglich machen.

Porträt von Dagmar Klingelhöller
Über:
Dagmar Klingelhöller
ist Landwirtin und Mitglied im Experten:innenkreis des Kompetenzzentrum Landwirtschaft