Was braucht es aus unserer Sicht, um das Tierhaltungskennzeichen wirkungsvoller zu gestalten?
Für uns ist es ein großes Anliegen, auf die Bedeutung anderer Absatzkanäle hinzuweisen. Der LEH nimmt lediglich ein Drittel der Gesamtmengen an Fleisch ab. Trotzdem werden Gastronomie, Gemeinschaftsverpflegung und der Großhandel bei der verpflichtenden Kennzeichnung außen vor gelassen – warum? Das ist nicht nur kontraproduktiv für das Tierwohl, sondern ignoriert auch den Wunsch der Verbraucher:innen nach Transparenz bei Lebensmitteln.
Darüber hinaus beschränkt sich der Gesetzentwurf lediglich auf die Mast von Schweinen. Eine Ausweitung auf den gesamten Lebenszyklus des Tieres ist dringend notwendig, damit Anreize für eine Verbesserung der Haltungsbedingungen, beispielsweise in der Ferkelaufzucht oder der Sauenhaltung, gesetzt werden. Genau hier muss besonders kritisch auf das Wohl der Tiere geachtet werden. Daneben hat die etablierte Haltungsformkennzeichnung des Lebensmitteleinzelhandels bereits erfolgreich gezeigt, dass eine Ausweitung auf andere Tierarten durchaus möglich und auch notwendig ist. Auch bei den Vorgaben für verarbeitete Ware – wie Wurstwaren – sind wir im Handel bereits einen entscheidenden Schritt weiter. Bisher fehlen eben solche Regelungen im Gesetzesentwurf. Ein konkretes Timing für die Umsetzung ist dringend erforderlich.
Verlässliche Finanzierungszusagen – auch mithilfe staatlicher Mittel – sind die Basis dafür, dass Landwirt:innen in tierwohlgerechtere Ställe investieren. Dabei kann die Lösung nicht einfach sein, dass der Lebensmitteleinzelhandel diesen Mehraufwand komplett trägt. Ohne ein konkretes Finanzierungskonzept, das alle Marktteilnehmer miteinschließt, können weder die Investitionskosten der notwendigen Stallumbauten subventioniert, noch die laufenden Mehrkosten über die nächsten Jahre finanziert werden. Nicht zu vernachlässigen sind an dieser Stelle auch die notwendigen Anpassungen im Bau- und Genehmigungsrecht, die im aktuellen Entwurf völlig außen vor bleiben. Ohne längerfristige Investitionssicherheit in Form von klaren und verlässlichen Finanzierungszusagen wird eine staatliche Haltungskennzeichnung keine Entfaltungskraft entwickeln.
Auch ist unklar, inwiefern ein belastbares Kontrollkonzept etabliert wird, das die nachgelagerten Stufen im Blick behält und ausländische Betriebe abdeckt. Tierhalter:innen beschäftigt – berechtigterweise – die Sorge, ob und inwieweit es langfristig zu einer Bevorzugung ausländischer Ware kommt. Schließlich bezieht sich die Verbindlichkeit der Gesetzgebung nur auf den inländischen Markt – für Betriebe im Ausland wird lediglich von freiwilliger Kennzeichnung gesprochen.
Der Tierhaltungsstandort Deutschland ist für uns unmittelbar mit Qualität verbunden. Daher gilt es, die Haltungskennzeichnung im besten Fall mit einer Herkunftskennzeichnung zu verknüpfen. Damit kommen wir nicht nur dem Wunsch der Verbraucher:innen entgegen, zu „wissen, wo’s herkommt“. Auch nähern wir uns noch schneller dem Ziel, 100 Prozent des frischen Schweinefleisches nach den „5D-Kriterien“, also mit deutscher Herkunft, anbieten zu können. Langfristig bedarf es dafür einer EU-weit einheitlichen Regelung. Hierfür muss die deutsche Position zunächst klar stehen.