Nachhaltigkeit

2. April 2020

Interview mit Marcel Weber: „Nachhaltigkeit ist fest im Einkauf verankert“

Lesezeit: 6 Min.

Marcel Weber verantwortet als Geschäftsleiter Ware Eigenmarke National und International sowohl den Eigenmarkeneinkauf der REWE Group als auch den Bereich Nachhaltigkeit Ware. Wir sprachen mit ihm über die Zusammenarbeit mit Lieferanten und Verantwortung in der Lieferkette.

Wie ist das Thema Nachhaltigkeit bei der REWE Group verankert?

Marcel Weber: Nachhaltigkeit ist bereits seit über zehn Jahren ein fester Bestandteil unserer Unternehmensstrategie. Die Gesamtverantwortung liegt bei unserem Vorstandsvorsitzenden, zudem verfügt jede Vertriebslinie über einen eigenen Nachhaltigkeitsbereich, der die Nachhaltigkeitsstrategie entsprechend adaptiert und zur Geschäftstätigkeit und Kundenstruktur passende Maßnahmen umsetzt. Mit der Abteilung Nachhaltigkeit Ware haben wir im Jahr 2016 dann einen Bereich geschaffen, der direkt dem Einkauf zugeordnet ist und dort bei der Gestaltung nachhaltiger Sortimente unterstützt.

Porträt von Marcel Weber
Über:
Marcel Weber
Geschäftsleiter Ware Eigenmarke National und International

ist Geschäftsleiter Ware Eigenmarke National und International.

Was bedeutet dies konkret für den Unternehmensbereich Einkauf?

Marcel Weber: Die gesamtheitliche Betrachtung der Lieferkette ist ein wichtiges Element unserer Nachhaltigkeitsstrategie und somit integraler Bestandteil der Einkaufsprozesse. Um uns für die Zukunft optimal aufzustellen und den heterogenen Anforderungen gerecht zu werden, integrieren wir ökologische und soziale Themen fest in unsere Beschaffungsprozesse. Mit den Aspekten Ressourcenschonung, Tierwohl, Fairness sowie Ernährung haben wir klare strategische Prioritäten gesetzt. Unsere Grundwerte gelten sowohl für die eigenen Geschäftsprozesse als auch für Geschäftspartner und Lieferanten der REWE Group.

Wie zeigt sich das in der täglichen Praxis?

Marcel Weber: Unsere Nachhaltigkeitsexperten sind fester Bestandteil unserer Einkaufsorganisation. Die Bereiche arbeiten eng zusammen und entwickeln gemeinsam neue, oft innovative Projekte, führen Gespräche mit Lieferanten und diskutieren die Themen in der Branche – vom Wettbewerb über NGOs bis zur Politik.

In unserem jährlichen Strategieprozess legen wir fest, welche Nachhaltigkeitsthemen wir angehen wollen. Wir diskutieren die geplanten Aktivitäten mit dem Einkauf und stellen sie auf allen Hierarchieebenen vor, bis zur Verabschiedung der Maßnahmen im Vorstand. So verpflichten sich alle Bereiche gleichermaßen auf die entsprechenden Ziele – aus meiner Sicht unerlässlich, um diese auch zu erreichen.

Wie funktioniert der Einkauf bei der REWE Group?

Marcel Weber: Wir haben die Verantwortung für eine Vielzahl an Produkten und damit auch für zahlreiche Lieferanten und Lieferketten. In der partnerschaftlichen Zusammenarbeit mit unseren Lieferanten schätzen wir langfristige Verträge und verbindliche Konditionen. Gleichzeitig arbeiten wir mit klaren Vorgaben hinsichtlich unserer Nachhaltigkeitswerte. Hinzu kommen die Leitlinien für den Einkauf unserer Fokusrohstoffe, die einen verbindlichen Handlungsrahmen für die Geschäftsbeziehungen mit Vertragspartnern in den Eigenmarken-Lieferketten definieren. Aus meiner Sicht kann Nachhaltigkeit in der Lieferkette und im Einkauf nur funktionieren, wenn Nachhaltigkeit neben Preis, Qualität sowie der Lieferperfomance eines Lieferanten als Entscheidungskriterium für unsere Produkte und Lieferanten herangezogen wird.

Welche Rolle spielt das Nachhaltigkeitsmanagement in der Zusammenarbeit mit den Lieferanten?

Marcel Weber: Ganz unterschiedlich. Wir haben viele Lieferanten, welche auch schon seit Jahren mit uns an dem Thema Nachhaltigkeit arbeiten und mit uns gemeinsam auch in der Branche Themen vorantreiben. Dies sind wirklich sehr wertvolle und langfristige Partnerschaften.

Wir pflegen jedoch nicht nur die Partnerschaften mit unseren direkten Lieferanten. Gerade im Hinblick auf die Umsetzung unserer Projekte im Ursprung, mit welchen wir Leuchttürme in der Branche setzten wollen, ist es uns wichtig auch Kleinbauern und Kooperativen in den jeweiligen Anbauländern partnerschaftlich einzubeziehen. Bei Kaffee, Kakao und Orangensaft haben wir in den vergangenen Jahren entsprechende Projekte mit Bauern-Kooperativen gestartet. Uns ist durchaus bewusst, dass dies nur in enger und langfristiger Zusammenarbeit gelingen kann, so dass sich Projekte auch auf mehrere Jahre ausgelegt sind.

Bei Kaffee arbeiten wir bereits seit zehn Jahren mit der Kooperative Incahuasi in Peru für unseren Feine Welt Kaffee zusammen. Nun haben wir dort ein Projekt für die Bäuerinnen und Bauern gestartet, um sie hinsichtlich nachhaltigerer Anbaupraktiken, steigende Produktivität sowie einer Stärkung der jeweiligen Organisationsstrukturen für mehr Selbstbestimmung und eine stärkeren Verhandlungsposition zu schulen. Bei Kakao haben wir einen mehrjährigen Vertrag direkt mit einer Kooperative in Ghana geschlossen und zahlen eine Extra-Prämie, um ein „Living Income“, also ein existenzsicherndes Einkommen, zu ermöglichen. Und auch bei Orangensaft haben wir uns gegenüber Kleinbauern in Brasilien verpflichtet, den Rohstoff mehrere Jahre lang abzunehmen.

Welche Ziele hat sich der Einkauf gesteckt und wie setzt er sie um?

Marcel Weber: Wir sind uns unserer Verantwortung für die sozialen und ökologischen Auswirkungen unserer Geschäftstätigkeit in unseren Lieferketten bewusst. Daher setzen wir uns klare Ziele, die gemeinsam mit dem Einkauf und dem Category Management der Vertriebslinien REWE und PENNY entschieden und umgesetzt werden. Wir wissen, dass viele Ziele beispielsweise mit höheren Einkaufspreisen für die Rohware einhergehen oder auch bestimmte Produktionsstätten gänzlich ausschließen. An der Erfüllung dieser Ziele werden nicht nur unsere Nachhaltigkeitsabteilung, sondern auch die Einkäufer und Category Manager und nicht zuletzt auch ich als verantwortlicher Geschäftsführer gemessen.

Was haben die Lieferanten davon, wenn sie Ihre Anforderungen einhalten?

Marcel Weber:  Bei der Lieferantenauswahl ist es für uns von großer Bedeutung, wie sich ein Lieferant mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinandersetzt. Nur wenn ein Lieferant sich dem Thema annimmt, können wir eine langfristige Partnerschaft und Geschäftsbeziehung mit ihm aufbauen. Der Großteil unserer Lieferanten ist hier schon sehr gut unterwegs. Unsere langfristigen Partner unterstützen wir dann auch durch von uns finanzierte Trainings oder Projekte bei der Weiterentwicklung der Nachhaltigkeitsthemen. Auch hinter unseren ProPlanet-Produkten stehen oftmals langjährige und enge Lieferantenbeziehungen.

Welche Herausforderungen sehen sie in der Zukunft?

Marcel Weber: Insbesondere in den Lieferkettenstufen des Rohstoffanbaus und der Verarbeitung gibt es ein erhöhtes Risiko der Missachtung von Arbeits- und Sozialstandards. Hier möchten wir zum Beispiel Kleinbauern, aber auch ganz gezielt Frauen noch besser und effektiver unterstützen. Kleinbauernfamilien produzieren einen Großteil der wichtigsten Rohstoffe. Es muss sichergestellt werden, dass sie davon leben können. Wir sehen aber auch, dass wir viele Herausforderungen nicht allein bewältigen können. Damit alle Unternehmen entlang der Wertschöpfungsketten ihrer Verantwortung gleichermaßen gerecht werden, braucht es verbindliche Rahmenbedingungen, die entlang globaler Lieferketten faire Voraussetzungen schaffen. Wir wünschen uns eine internationale Lösung für die menschenrechtliche Sorgfaltspflicht, die alle Akteure verbindlich einbezieht.