Politik

2. August 2022

„Deutschland braucht eine Einwanderungsinitiative“

Christopher Ranft, Bereichsleiter Recruiting, über die Herausforderungen des immensen Arbeitskräftemangels und das Potenzial der Erwerbsmigration.

Liebe Leser:innen,

Was das etwas abstrakte Wort „Fachkräftemangel“ in der Praxis bedeutet, können wir immer häufiger am eigenen Leib erfahren: Ellenlange Schlangen an den Flughäfen. Verkürzte Öffnungszeiten in der Gastronomie. Personalengpässe auf dem Arbeitsmarkt werden immer sicht- und spürbarer. Was lange als Fachkräftemangel in bestimmten Segmenten bezeichnet wurde, etwa im hochqualifizierten IT-Bereich, hat sich längst zu einem branchenübergreifenden Arbeitskräftemangel auf allen Qualifizierungsniveaus zugespitzt. Unternehmen allein können die Problematik nicht lösen: Ich bin überzeugt, Deutschland braucht eine Einwanderungsinitiative.

Als Handels- und Touristikunternehmen sind wir auf eines besonders stolz: Dank Mitarbeitenden aus über 140 Ländern stellen wir die Nahversorgung sicher und erfüllen Urlaubswünsche, dabei bieten wir als eine der wenigen Branchen von ungelernten Kräften bis höchstqualifizierten Fachexpert:innen eine krisensichere Jobperspektive. Das haben die vergangenen zwei Jahre ganz besonders bewiesen.

Doch auch bei der REWE Group spüren wir den Arbeitskräftemangel mehr und mehr, in der Logistik wie in der IT, im Einkauf wie im Verkauf oder an der Servicetheke. Wir hören bereits von Märkten in ländlichen Regionen, die ihre Türen für die Kund:innen morgens später öffnen oder abends früher schließen müssen. Als einer der größten Arbeitgeber Deutschlands führen wir hierzulande jährlich ca. 50.000 Neueinstellungen durch.

Natürlich liegt die Verantwortung bei den Unternehmen, attraktive Angebote für die Arbeitnehmer zu schaffen, von Weiterbildungsmöglichkeiten über die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, faire Löhne bis zum betrieblichen Gesundheitsmanagement. Doch kommen diese Maßnahmen an ihre Grenzen, wenn es schlicht nicht genug Menschen gibt, die die freien Stellen besetzen könnten.

Wir befürworten, dass die Bundesregierung dieses eklatante Problem erkannt und daher im Koalitionsvertrag festgehalten hat, die Arbeitskräfteeinwanderung zu stärken und das Einwanderungsrecht weiterzuentwickeln. So begrüßen wir auch den Vorstoß eines Chancen-Aufenthaltsrechts. Denn es ist doch so: Der Arbeitsmarkt in Deutschland ist leergefegt. Bei dem vorherrschenden Arbeitskräftemangel befinden wir uns nicht in der Situation, dass ausländische Arbeitskräfte den Bürger:innen hierzulande Anstellungen streitig machen würden. Vielmehr würden wir Chancen für viele Menschen schaffen, Integration vielerorts erleichtern und Arbeitskräfte für Stellen gewinnen, die sonst unbesetzt blieben. Aus meiner Sicht eine klassische Win-Win-Situation.

Bei dem vorherrschenden Arbeitskräftemangel befinden wir uns nicht in der Situation, dass ausländische Arbeitskräfte den Bürger:innen hierzulande Anstellungen streitig machen würden. Vielmehr würden wir Chancen für viele Menschen schaffen, Integration vielerorts erleichtern und Arbeitskräfte für Stellen gewinnen, die sonst unbesetzt blieben.

Christopher Ranft, Bereichsleiter Talent Acquisition
Porträt von Christopher Ranft
Christopher Ranft, Bereichsleiter Talent Acquisition

Doch dem ersten Schritt, einem Gesetz zur Einführung eines Chancen-Aufenthaltsrechts, müssen zeitnah weitere folgen. Schritte, die wirksam, praxisgerecht und bürokratiearm ausgestaltet sind. Das ist ganz entscheidend! Deshalb sind wir bei Vorstößen wie der Einführung einer „Chancen-Karte“ zur Arbeitsplatzsuche oder einem Punktesystem mit personen- und berufsbezogenen Kriterien noch zurückhaltend. Ich verstehe, dass ein gesteuerter Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt gefunden werden soll, doch müssen diese Maßnahmen für die Unternehmen auch umsetzbar ausgestaltet sein – auch mit Blick auf den internationalen Wettbewerb um Arbeitskräfte.

Ähnliche Stellschrauben gilt es bei der Anerkennung von Bildungs- und Berufsabschlüssen aus dem Ausland zu drehen: Bürokratieabbau und beschleunigte Verfahren. Zum Beispiel sollten behördenseitig flächendeckend Dokumente in englischer Sprache akzeptiert werden. Und es wäre enorm hilfreich, wenn alle Maßnahmen bundesweit aus einem Guss kämen, damit Unternehmen, die wie wir überall in der Bundesrepublik agieren, diese erfolgreich umsetzen können. Wenn wir nicht bei all diesen Themen deutlich an Tempo dazu gewinnen, werden wir die Auswirkungen nicht nur an Deutschlands Flughäfen spüren, sondern unser Leben an das „new normal“ anpassen – und das sieht in diesem Fall eher düster aus.

Ihr Christopher Ranft

Porträt von Christopher Ranft
Über:
Christopher Ranft
Bereichsleiter Talent Acquisition

Über die REWE Group

Die genossenschaftliche REWE Group ist einer der führenden Handels- und Touristikkonzerne in Deutschland und Europa. Im Jahr 2022 erzielte das Unternehmen einen Gesamtaußenumsatz von rund 85 Milliarden Euro. Die 1927 gegründete REWE Group ist mit ihren über 380.000 Beschäftigten in 21 europäischen Ländern präsent.

 

Zu den Vertriebslinien zählen Super- und Verbrauchermärkte der Marken REWE, REWE CENTER sowie BILLA, BILLA PLUS und ADEG, der Discounter PENNY, IKI, die Drogeriemärkte BIPA sowie die Baumärkte von toom. Hinzu kommen die Convenience-Märkte REWE To Go und die E-Commerce-Aktivitäten REWE Lieferservice und Zooroyal. Die Lekkerland Gruppe umfasst die Großhandels-Aktivitäten der Unternehmensgruppe im Bereich der Unterwegsversorgung. Zur Touristik gehören unter dem Dach der DER Touristik Group über 2.300 Reisebüros, Veranstalter sowie Hotelmarken und Online-Reiseportale.