Politik

10. Januar 2025

Drei Fragen an Emilie Bourgoin zum Wahljahr 2025

Zum Start eines jeden neuen Jahres gehören immer auch Rück- und Ausblicke. Deshalb ordnet Emilie Bourgoin, Group Director Public Affairs der REWE Group, in dieser Ausgabe unseres Formats „Drei Fragen an“ die beiden Wahljahre 2024 und 2025 ein.
Lesezeit: 5 Min.
  • Blicken wir zunächst nach Brüssel: Im Juni letzten Jahres hat die EU-Wahl stattgefunden, Ende November wurde die neue EU-Kommission bestätigt. Was erwarten Sie in den nächsten Jahren aus Brüssel?

    Im September waren mein Team und ich in Straßburg und in fast jedem Gespräch mit Abgeordneten, Vertreter:innen der Kommission oder von Verbänden viel der Begriff „better regulation“. Es klang wie ein Leitspruch für die neue Legislaturperiode. Das Ziel, EU-Rechtsvorschriften zu vereinfachen und den Bürokratieaufwand zu reduzieren, ist nicht neu. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat bereits angekündigt, 25 Prozent Bürokratie abbauen zu wollen, nur das Wie ist noch fraglich. Aber es ist genau das, wonach sich Unternehmen wie das unsere sehnen – das spiegeln uns die Fachbereiche ebenso wie unsere selbstständigen Kaufleute. Der Ankündigungspolitik müssen jetzt endlich Taten folgen.

    Mit Spannung erwarten wir daher die Vorstellung des Arbeitsprogramms der Kommission. Spätestens dann werden wir mehr darüber erfahren, was die EU-Kommission vorhat, um die lahmende wirtschaftliche Lage im Euroraum wieder anzukurbeln und wo sie ihre Schwerpunkte setzen wird. Und natürlich blicken wir auch gespannt auf die neue Vision für die Zukunft der europäischen Landwirtschaft, die – wie das gesamte Arbeitsprogramm der Kommission – Mitte Februar veröffentlicht werden sollen.

  • In Deutschland hingegen steht die Bundestagswahl noch bevor, früher als zunächst geplant. Mit welchem Gefühl blicken Sie auf die Bundestagswahl?

    Einen Neustart – in welcher Konstellation auch immer – können wir, glaube ich, alle gut gebrauchen. Man hat auf Veranstaltungen und in Gesprächen schon gemerkt, wie zunehmend schwieriger es den politischen Akteuren gefallen ist, Kompromisse zu finden. Das war auch für uns keine leichte Situation.

    Jetzt steht uns ein kurzer – und hoffentlich nicht zu hitziger – Wahlkampf bevor. Und dann wünsche ich mir eine Legislaturperiode der Konsolidierung. Regulierungen mit Außenmaß und genügend Spielraum für die Wirtschaft.

    Die hohen Erwartungen, die die selbsternannte „Fortschrittskoalition“ geschürt hatte, wurden leider enttäuscht. Meiner Meinung nach brauchen wir konkrete und tiefgreifende Maßnahmen, um die Binnenkonjunktur anzukurbeln und uns Wirtschaftstreibende zu entlasten. Wir müssen aufhören, in Legislaturperioden zu denken, es braucht Visionen für die nächsten Jahrzehnte.

    Auch würde ich es mehr als begrüßen, wenn die politische Wahrnehmung des Handels endlich eine andere wäre. Wir haben in den zurückliegenden Jahren nicht nur bewiesen, wie resilient und krisensicher wir agieren, wir haben auch unsere Hausaufgaben gemacht. Wir sind als Unternehmen und auch als Branche so oft vorangegangen und somit Regulierungen zuvor gekommen, besonders in den Bereichen Nachhaltigkeit und Landwirtschaft Doch das wird für meinen Geschmack noch viel zu wenig gesehen – gerade im Vergleich zu anderen Branchen. Der Handel ist der Wirtschaftsfaktor vor Ort. Allein die REWE Group beschäftigt in Deutschland fast 300.000 Menschen. Wir sind sozialer Treffpunkt, Nahversorger, Arbeitgeber, Impulsgeber, Trendsetter und unterstützen tausende Vereine und Initiativen vor Ort.

    Das Image des Handels weiterhin zu verbessern, daran werden mein Team und ich auch in der nächsten Legislatur arbeiten.

  • Welche Themen werden für Ihre Arbeit in diesem Jahr besonders relevant sein?

    Als Handels- und Touristikunternehmen sind wir von unheimlich vielen politischen Initiativen betroffen. Mein Team hat in den letzten Jahren gut 300 Maßnahmen parallel im Blick behalten.

    Neben gesamtwirtschaftlichen Impulsen, die ich mir von der neuen Bundesregierung erwarte, belasten uns Einzelmaßnahmen im Besonderen. Viele Gesetzesvorhaben, die schon relativ weit im Prozess waren, werden in der verbleibenden Legislaturperiode ja voraussichtlich keine Mehrheiten mehr finden. Für uns wird also spannend sein, wie es etwa mit dem Nationales Umsetzungsgesetz der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), dem KRITIS-Dachgesetz oder dem Tierschutzgesetz im Herbst weitergeht. Außerdem frage ich mich, wie die neue Bundesregierung auf die Herausforderungen der heimischen Landwirtschaft eingehen wird. Aber auch wiederkehrende Themen wie das Krisenmanagement im Tourismus, der Arbeitskräftemangel oder Mehrweglösungen werden uns wieder fordern. Und in Brüssel werden wir uns mit delegierten Rechtsakten sowie mit dem neuen Arbeitsprogramm der Kommission beschäftigen.

    Ich würde mich ja freuen, wenn es in Zukunft ein paar weniger Themen würden, aber ich denke, uns – und somit auch all den Kolleg:innen in den Fachbereichen – wird auf jeden Fall nicht langweilig werden.
    Grundsätzlich würde ich mir auch wünschen, dass der Gesetzgeber weit mehr aus den Möglichkeiten macht, die ihm zur Verfügung stehen. Abseits von Gesetzestexten denke ich an sandboxes, die der Wirtschaft die dringend benötigten Freiräume schaffen, etwa im Bereich digitale Innovationen oder Foodtech.

Porträt von Emilie Bourgoin

Über:

Emilie Bourgoin

Group Director Public Affairs

Emilie Bourgoin ist Group Director Public Affairs und Vorsitzende des Kompetenzzentrum Landwirtschaft der REWE Group.

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